27 – Das Protokoll

Wir haben wieder Post erhalten. Und zwar hat der Regionalverband der Gartenfreunde Quedlinburg das Protokoll der Mitgliederversammlung vom 4. November 2023 an die Mitgliedsvereine übermittelt. Wir möchten für euch einige Dinge daraus hier vorstellen und unter Zuhilfenahme der Fachliteratur „Handbuch zum Vereinsrecht“ von Stöber/Otto, einmal einordnen. Bemerkenswert sind die protokollierten grundlegenden Defizite einer demokratischen Mehrheitsfindung, wo abweichende Meinungen, Vorstellungen und Ideen augenscheinlich unerwünscht sind. Weiter möchten wir euch so auch noch vom eigenwilligen Rechtsverständnis der Verbandsführung informieren. Und wir stellen uns die Frage, was es mit der geheimen Wertermittlungsrichtlinie auf sich hat und warum lässt man über diese nicht abstimmen?

Handbuch zum Vereinsrecht (Stöber/ Otto)

Bevor wir gleich in das Protokoll einsteigen, möchten wir zum aktuellen Thema der Mitgliederversammlung unserer Meinung nach zwei grundlegende Dinge aus dem Handbuch zum Vereinsrecht anbringen. Gerade hier erweckt der Regionalverband Quedlinburg nämlich regelmäßig den Eindruck der Unkenntnis bzw. Nichtbeachtung folgender Grundsätze:

„Das Mitgliederrecht auf Teilnahme an der Willensbildung des Vereins schließt … das Recht zur Mitwirkung bei Beratungen (Mitberatung) ein, damit auch das Recht zur Wortmeldung, zu Redeausführungen und jedenfalls im Zweifel auch zur Antragsstellung. Die Mitglieder müssen stets Gelegenheit finden, ihre Auffassungen zu einem Gegenstand der Beschlussfassung vorzutragen und Zustimmung oder Bedenken vorzubringen sowie ihr Auskunftsrecht geltend zu machen.“

XIV Die Mitgliederversammlung – 7. Teilnahmeberechtigung – a) Mitglieder RZ 879

„Der Versammlungsleiter eröffnet die Mitgliederversammlung. Er nimmt das Ordnungsrecht in der Versammlung und das Hausrecht des Vereins wahr. … Er muss auf eine sachgemäße Erörterung der Gegenstände zur Tagesordnung bedacht sein und die Anwesenden gehörig zu Wort kommen lassen. Die Verfahrensrechte der Minderheit muss der Versammlungsleiter gerade gegenüber einer stärkeren Mehrheit schützen … Bei der Leitung des Verfahrenshergangs … hat er die Pflicht zur gleichmäßigen Behandlung aller Mitglieder und den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit von in Rechte der Mitglieder eingreifenden Maßnahmen zu beachten“

XIV Die Mitgliederversammlung – 8. Leitung der Versammlung – d) Aufgaben und Befugnisse RZ 894

Tagesordnung und Beschlussfähigkeit

Aus dem Protokoll geht hervor, das fast 60 Personen auf der Mitgliederversammlung in der Harzsparkasse anwesend waren. Neben den 45 stimmberechtigte Anwesenden waren noch ganze 13 Gäste im Protokoll vermerkt. Das waren neben dem neuen Rechtsanwalt des Verbandes und 2 Vertreter des Regionalverbandes aus Sangerhausen, vor allem noch weitere Vorstandsmitglieder von den Mitgliedsvereinen. Anschließend wurde unter dem Tagesordnungspunkt 3 die Tagesordnung besprochen. In der Versammlung verlas damals der stellvertretende Vorsitzende des Regionalverbandes Quedlinburg als Versammlungsleiter das Anschreiben vom Vorsitzenden der Kleingärtner Holzbreite 2 e.V. und man erwähnte auch die angebrachten Bedenken zur zeitlichen Durchführbarkeit der Versammlung.

Antrag auf Verschiebung einzelner Tagesordnungspunkte der Kleingärtner Holzbreite 2 e.V.

Die beantragte Vertagung einzelner Tagesordnungspunkte wurde nicht zur Abstimmung gebracht, sondern der Versammlungsleiter hat die Ablehnung ganz alleine entschieden. Im Protokoll dazu wurde folgendes vermerkt:

Der Versammlungsleiter lässt nicht über den oben genannten Antrag auf Verschiebung abstimmen, sondern erklärt eigenmächtig, das angeblich ausreichend Zeit vorhanden ist.

„Die Berechtigung der Versammlung, die Tagesordnung festzulegen und einen zur Tagesordnung gefassten Beschluss zu ändern, ermöglicht es ihr auch, mit einfacher Mehrheit Tagesordnungspunkte zu vertagen oder endgültig abzusetzen (Beschluss der Nichtbefassung).“

XIV Die Mitgliederversammlung – 9. Verlauf der Versammlung – a) Die Tagesordnung RZ 912

Tätigkeitsbericht Geschäftsjahr 2022

Nach der Abstimmung über die vorgegebene Tagesordnung folgte der ganz besondere Tätigkeitsbericht des Regionalverbandsvorsitzenden. Eigentlich ging es um das Jahr 2022, jedoch arbeitete sich der Vorsitzende hauptsächlich über aktuelle Ereignisse von 2023 ab, vor allem äußerte man sich negativ über unsere Seite der IGG Quedlinburg. Nicht im Protokoll zu lesen, sind die Aufzählungen besuchter Veranstaltungen und Schulungen 2022:

  • Schulungen Landesverband am 08.02.2022 und am 23.04.2022
  • Fachberater Schulungen am 01.07.2022 (Kirschentag) und 13.07.2022 (Sommerschnitt)
  • am 02.04.2022 besuchte der stellvertretende Vorsitzende eine Weiterbildung zum Thema Kleingartenkündigungsrecht
  • der Schatzmeister und der Kassenprüfer nahmen am 05.11.2022 an einer Weiterbildung teil.

Ebenfalls wurde in der Versammlung noch erwähnt das mit 252 Beratungen, beinahe doppelt so viele Beratungen stattgefunden haben, wie sonst üblich. Auch nicht im Protokoll erwähnt wurde die neue Wertermittlungsrichtlinie. Die Verbandsfachberaterin und zugleich Wertermittlerin hat eine entsprechende Richtlinie erarbeitet und der Vorsitzende erzählte, das diese bereits in Abstimmung mit dem zuständigen Ministerium für Umwelt, Energie und Landwirtschaft sei und bis auf kleinere Anpassungen, diesem Unterfangen nichts im Wege stehen würde. Weder der Inhalt dieser Richtlinie wurde der Mitgliederversammlung vorgelegt, noch wurde darüber abgestimmt. Warum eigentlich nicht?

Intransparenter Kassenbericht

Abweichend vom Vorjahr haben dieses Mal die Vereinsvertreter keinen ausgedruckten Kassenbericht erhalten. Weder mit der Einladung, noch auf der Mitgliederversammlung oder im Nachgang mit dem Protokoll wurde dieser übergeben. Eine entsprechende Vorbereitung und die Erarbeitung von Fragestellungen waren so nahezu unmöglich. Den vorgestellten Bericht konnte man nach der Versammlung zwar noch einsehen, jedoch brachte man die dazugehörigen Belege nicht vor Ort mit. Auf Nachfrage sagte man, dass man bei Interesse einen Termin zur Einsicht in der Geschäftsstelle vereinbaren könne.

Auffällig waren dieses Jahr eine Rückbuchung bei den Pachtzahlungen in Höhe von 2.665,23€ und das für die Kleingartenanlage Lehmbreite in Ermsleben Vereinsmittel und Geld aus dem Rückbau-Cent in Höhe von insgesamt 6.051,15€ entnommen wurden. Weiterhin blieb auch eine Rücklage im Verband für die Instandsetzung der Hausfassade aktiv. Nach einem Aufruf des Schatzmeisters, könnten sich aber auch handwerkliche Gartenfreunde für diese Arbeit melden. Wie dann eine sachgerechte Ausführung sichergestellt werden könnte und wie eine ordnungsgemäße Abrechnung anschließend erfolgen würde, blieb allerdings offen.

Breite Zustimmung

In der Aussprache unter TOP 7 wurde auf der Versammlung nach Fragen nur zum Kassenbericht gefragt. Im Protokoll findet sich aber dann die Niederschrift, dass es außer eine Rückfrage generell zu den Berichten, „Keine weiteren Fragen zu den drei Berichten“ geben würde. Es folgte daraufhin die Entlastung des Vorstandes für das Geschäftsjahr. Bei der Abstimmung forderten nur 2 kritische Gartenfreunde die Nichtentlastung.

Grundsätzliches zu Beschlussvorlagen

„Gelegentlich herrscht in der Praxis zu Unrecht Scheu, von einem mit der Ladung mitgeteilten Vorschlagtext abzuweichen. Der Hinweis auf dem mit der Ankündigung versandten Beschlussvorschlag und dessen vermeintliche Unveränderbarkeit kann dazu verleiten, wegen dieses angeblichen Zwangs auch die Diskussion über Details und Änderungswünsche abzukürzen. Richtig ist aber das Gegenteil: Gerade weil umfassend diskutiert werden soll, müssen im Rahmen des angekündigten Themas auch Änderungsanträge möglich sein. …“

XIV Die Mitgliederversammlung – 9. Verlauf der Versammlung – d) Dringlichkeits- und Initiativanträge RZ 927

Beschlussfassung 9.1 – Wahlordnung

Im Tagesordnungspunkt 9 ging man zu den Beschlussvorlagen über. Unter TOP 9.1 wurde dann nach Diskussion die Beschlussvorlage der Wahlordnung wie folgt abgeändert:

Vorher
Nachher

Kurios, die neu gefasste Wahlordnung wird mit keinen Wort in der Satzung des Regionalverbandes erwähnt bzw. wird sich darauf bezogen. Auch ergibt sich aus der Änderung, das es keine Stimmenthaltungen bei geheimen Wahlen mehr gibt. Da jede Stimme, bei der nicht eindeutig „Ja“ angekreuzt wurde, als ungültig anzusehen ist. Dazu auch nochmal das Handbuch zum Vereinsrecht:

„Jedes Mitglied hat eine Stimme. Ein Stimmzettel, auf dem mehr als ein Bewerber angekreuzt sind, ist ungültig. Als Stimmenthaltung gilt die Abgabe eines Stimmzettels, auf dem keiner der Bewerber angekreuzt und/oder kein anderer Name eines zu Wählenden eingetragen und angekreuzt ist.“

XV Abstimmungen, Wahlen, Beschlüsse – 2. Abstimmung bei Wahlen – b) Einzelwahl RZ 1012

Beschlussfassung 9.3 – Änderung Satzung

Man beschäftigte sich mit der zweiten Satzungsänderung, bei der es um den Verbleib des Regionalverbandsvermögen ging bei Vereinsauflösung. In der Beschlussvorlage des Verbandes sollte neu der Bundesverband der Kleingärtner Deutschlands e.V. eingetragen werden. Gegenvorschlag wurde mündlich die Stadt Quedlinburg vom Kleingartenverein Holzbreite 2 eingebracht. Es folgte in der Versammlung ein rechtlicher Abriss der Verbandsfachberaterin und warum es angeblich nicht erlaubt sei. Im Protokoll wurde dies wie folgt vermerkt:


Einmal in die Mustersatzung für gemeinnützige Vereine beim Bundesministerium für Justiz geschaut, ergibt folgende Musterformulierung:

§ 15 Auflösung des Vereins, Beendigung aus anderen Gründen, Wegfall steuerbegünstigter Zwecke

(2) Bei Auflösung oder Aufhebung des Vereins oder bei Wegfall steuerbegünstigter Zwecke fällt das Vermögen des Vereins an eine juristische Person des öffentlichen Rechts oder eine andere steuerbegünstigte Körperschaft, zwecks Verwendung für … (Angabe eines bestimmten gemeinnützigen, mildtätigen oder kirchlichen Zwecks).

Mustersatzung – Bundesministerium für Justiz

Im Bundeskleingartengesetz ist dann noch im §2 Kleingärtnerische Gemeinnützigkeit unter Punkt 3 vermerkt:

3. Eine Kleingärtnerorganisation wird von der zuständigen Landesbehörde als gemeinnützig anerkannt, wenn sie im Vereinsregister eingetragen ist, sich der regelmäßigen Prüfung der Geschäftsführung unterwirft und wenn die Satzung bestimmt, dass bei der Auflösung der Organisation deren Vermögen für kleingärtnerische Zwecke verwendet wird.

Bundeskleingartengesetz §2 Kleingärtnerische Gemeinnützigkeit

Unter den juristischen Personen des öffentlichen Rechts zählen auch die Gebietskörperschaften, das ist der Staat, der Bund, die Länder und die Gemeinden. So finden sich also Satzungen von Kleingartenorganisationen wieder, bei denen eine Stadt eingetragen ist. Als Beispiel findet sich in der Satzung des Stadtverbandes Chemnitz der Kleingärtner e.V. folgender Absatz:

§ 28 Auflösung des Stadtverbandes

  1. Der Stadtverband kann durch Beschluss des Verbandstages aufgelöst werden. Dazu ist eine Mehrheit von drei Vierteln der erschienenen Vertretungsberechtigten erforderlich. Im Falle der Auflösung des Verbandes oder bei Wegfall seines steuerbegünstigten Zweckes fällt das Vermögen an die Stadt Chemnitz, die es unmittelbar und ausschließlich für kleingärtnerische gemeinnützige Zwecke zu verwenden hat.
Satzung Stadtverband Chemnitz der Kleingärtner e.V.

Woher im Regionalverbandsvorstand diese sehr eigensinnige Rechtsauffassung stammt und nicht einmal der anwesende Rechtsanwalt einschritt, bleibt uns ein Rätsel. Leider wurde auch hier die alternative Beschlussvorlage nicht beachtet und vor allem zu Unrecht abgewiesen.

Beschlussfassung 9.4 – Höhe Verbandsbeitrag

Der Verbandsbeitrag wurde wie vom Verbandsvorstand eingebracht auf 10€ je Parzelle abgesenkt.


Auch hier wurde die zuvor eingereichte alternative Beschlussvorlage vorsätzlich ignoriert und nicht zur Abstimmung gebracht:

Beschlussfassung 9.5 und 9.6

Abschließend beschäftigte sich die Mitgliederversammlung mit der Wahl eines neuen Logos. Entgegen der protokollierten Abstimmung wurde in der Versammlung selbst wieder nach alter falscher Art und Weise gewählt. Man fragte nämlich bei Logo Nummer 1 nach den Ja-Stimmen, danach nach den Nein-Stimmen und nach den Enthaltungen. In diesem Wahlgang gab es auch eine Enthaltung, wovon im Protokoll nichts mehr zu lesen ist.

Nach dem dann noch einmal die komplette neue Rahmengartenordnung durch den Versammlungsleiter vorgelesen wurde, änderte man erneut seine eigene Beschlussvorlage ab und ergänzte die im Text enthaltende Pflicht zu einer Wertermittlung bei Pächterwechsel um eine Ausnahmeregelung. Das diese Ausnahmeregelung auch in dem Pachtvertragsmuster und in der Verwaltungsvollmacht sich wiederfinden sollte, wurde ignoriert und heruntergespielt. Auch wollte der Regionalverbandsvorstand es nicht wahrhaben, dass ab kommendem Jahr dann zwei Rahmengartenordnungen parallel existieren. Es beziehen sich nämlich alle momentan laufenden Pachtverträge auf die Rahmengartenordnung des Landesverbandes Sachsen-Anhalte e.V. Diese individuelle Regelung kann nicht einfach durch einen Mitgliederbeschluss ersetzt werden.

Nach der Mitgliederversammlung waren das Chaos und die Regelungswut perfekt. Die Nichtbeachtung der Beschlussvorlagen und die Verweigerung der Abstimmungen zeugen von einem weiteren undemokratischen Verhalten auf Seiten des Regionalverbandes. Es enttäuscht doch sehr, dass ein Großteil der Mitgliedsvereine das so hinnahmen und keine kritischen Fragen stellten und wie selbst verständlich ihre Zustimmung gaben.

Dieser Beitrag war ein bisschen umfangreicher aber auch notwendig um die Mitgliederversammlung nachvollziehbarer zu machen und sie ein stückweit einzuordnen. Wir bedanken uns für eure Kommentare und das bisherige Feedback. Wenn ihr keinen Beitrag mehr verpassen wollt, dann folgt uns am besten auch auf Facebook.